17. Mai – Den Menschen von allen Seiten betrachten

Den Menschen von allen Seiten betrachten

Bei der Landtagswahl sind am 6. Juni im Wahlkreis 15 (Blankenburg) sieben Kandidaten am Start. Die Volksstimme stellt Kandidaten vor, heute: Florian Fahrtmann (SPD).

Von Vera Heinrich 
Florian steht mit einem Buch in der Hand vor einem Gebüsch und lächelt

Florian Fahrtmann mit einer Portion Selbstironie und der Helmut-Schmidt-Biografie ?Was ich noch sagen wollte? im Gepäck: Das Buch habe er einfach als passend empfunden, so Fahrtmann, da er selbst gern viel erzähle. Foto: Vera Heinrich

Ilsenburg – Mit 21 Jahren ist er als Jüngster in den Ilsenburger Stadtrat eingezogen. 17 Jahre ist das her. Inzwischen ist Florian Fahrtmann aus der Kommunalpolitik in Ilsenburg kaum wegzudenken. Jetzt zieht es ihn in den Landtag.

Der 38-Jährige sagt von sich selbst: „Das Parteibuch wurde mir förmlich in die Wiege gelegt.“ 1983 in Wernigerode geboren, ist er in einer Patchworkfamilie mit seiner Mutter Ute, ihrem Lebensgefährten Wilfried Obermüller und dessen Sohn Armin in Ilsenburg aufgewachsen. Schon von Kindesbeinen an kennt Florian Fahrtmann ein Familienleben, in dem kommunalpolitische Themen schon am Frühstückstisch besprochen wurden. Schließlich leitete sein Stiefvater Wilfried Obermüller als SPD-Bürgermeister knapp 20 Jahre die Geschicke der Ilsestadt.

Politiker hinterlassen bleibenden Eindruck

Dadurch ist Fahrtmann nicht nur früh mit politischen Themen und den Herausforderungen einer Kleinstadt in der Wendezeit in Berührung gekommen, sondern auch mit vielen Akteuren, die in der Kommunalpolitik zwischen Ilse und Ecker eine Rolle spielten. Ehemalige Stadtoberhäupter wie Ludwig Hoffmann aus Wernigerode oder Klaus „Jockel“ Hohmann aus Bad Harzburg hätten einen prägenden Eindruck bei ihm hinterlassen, erinnert er sich.

„Mein Vater hat zu mir gesagt, ich solle nicht nur meckern und mich aufregen, sondern lieber selber etwas machen“, begründet er seine Motivation, sich mit Anfang 20 für ein Mandat zu bewerben und in die SPD einzutreten.

Nach dem Abitur in Ilsenburg hat Florian Fahrtmann zunächst Zivildienst geleistet im Krankenhaus Bad Harzburg. Dort war er erstmalig in der stationären und ambulanten Pflege tätig.

Persönlichen Dämpfer beim Studium weggesteckt

Anschließend ist er nach Göttingen gezogen, um Mittlere und Neuere Geschichte, Jura und Sozialpolitik zu studieren. Genau das Richtige für einen Geschichtsinteressierten wie ihn – mit Ausnahme des für den Abschluss zwingend notwendigen Latinums. Das Studium war fast abgeschlossen, die Magisterarbeit bereits angefangen, da entschied eine letzte Lateinprüfung über das Aus.

Neben dem Studium hatte Fahrtmann als persönlicher Assistent für einen körperbehinderten Menschen in der 24-Stunden-Versorgung gearbeitet. Dabei kam er zu einer Schlüsselerkenntnis, die den Grundstein für seine berufliche Zukunft gelegt habe: „Sich um Menschen zu kümmern ist genau meins.“

Florian Fahrtmann kehrte in seine Harzer Heimat zurück und trat eine Pflegerstelle als Dauernachtwache an. Nach der Erfahrung des Scheiterns sei er schnell wieder aufgestanden und habe weitergemacht. Die Arbeit in der Pflege habe daran ihren Anteil gehabt, wie er sagt: „Das Beste an der Pflege ist die Wertschätzung. Dass die Leute so dankbar sind, hat mich wieder motiviert.“

Er absolvierte eine Ausbildung zum Altenpfleger bei der Gemeinnützigen Gesellschaft für Sozialeinrichtungen in Wernigerode und der Berufsschule in Elbingerode mit Bestnote. In dieser Zeit habe er neuen Antrieb gefunden, so Fahrtmann. „Es ist wichtig, darüber nachzudenken, was es bedeutet, Mensch zu sein.“

Er erinnert sich an eine Weisheit seines Vaters, die für ihn in der Pflege, aber auch in der Politik sowie im Leben überhaupt, zutrifft: „Man muss den Menschen von all seinen Seiten betrachten“, findet der Sozialdemokrat.

Fachlich neue Herausforderungen angepackt

Nach seinem Ausbildungsabschluss sammelte er Erfahrungen in der ambulanten Pflege beim Pflegedienst „Dori“ in Ilsenburg. Erneut meldete sich der Ehrgeiz in dem 38-Jährigen, der sagt: „Ich wollte noch mehr sehen.“ So entschloss er sich, in die ambulante Intensivpflege zu wechseln und sich zur Pflegefachkraft für außerklinische Beatmung weiterzubilden.

Gleichzeitig zog es ihn wieder an die Hochschule. Er studierte berufsbegleitend Soziale Gerontologie an der Katholischen Hochschule Berlin. Kürzlich habe er das vierjährige Bachelorstudium erfolgreich abgeschlossen. Sein theoretisches Wissen und seine praktischen Erfahrungen bringe er bei seiner Tätigkeit als Projekt- und Qualitätsmanager im Gemeinnützigen Verein für Sozialeinrichtungen Blankenburg ein.

Wenn sich Florian Fahrtmann nicht um die Belange älterer Menschen kümmert, nimmt er sich am liebsten Zeit für seine kleine Familie. Er lebt zusammen mit seiner Partnerin und seinem Sohn in Ilsenburg. Als Vater eines knapp Dreijährigen sei es ihm besonders wichtig, die Kitagebühren abzuschaffen. „Auch das Essen in den Kinderbetreuungseinrichtungen sollte am besten kostenfrei sein“, findet er.

Seine Familie gebe ihm viel Rückhalt bei seiner regen beruflichen und ehrenamtlichen Arbeit. Fahrtmann ist derzeit Vorsitzender der SPD-Fraktion im Ilsenburger Stadtrat und im Vorstand des ortsansässigen Vereins Kultur, Bildung und Freizeit. Auch im Vereinssport war der leidenschaftliche Handballer und Fußballer viele Jahre aktiv.

Tourismus und Nationalpark sind thematische Schwerpunkte

Er bringe sich gern ein in seiner Stadt, seinem Harz, seine Heimat. „Heimat ist das, was ich kenne und das, was ich kann“, verrät er. Um diese Heimat zu stärken, beschäftigen den jungen Familienvater vor allem zwei Belange: zum einen die Stärkung des Tourismus und zum anderen die Politik im Nationalpark.

Er erzählt von einem Familienurlaub im ländlichen Teil Bayerns, bei dem ihm klar wurde: „So wie in Bayern müssen wir im Harz den Tourismus besser vermarkten. Der Harz hat so viel Potenzial.“ Konkret meine er damit, den Radwegetourismus, die Landwirtschaft und das Marketing zu stärken.

Dafür müsse man diese Bereiche stärker konzeptionell verbinden. So könne er sich Folgendes vorstellen: „Der Radweg muss touristisch so erschlossen sein, dass er automatisch an gastronomischen Einrichtungen und Einzelhändlern wie Hofläden in den Orten entlangführt.“

Wiederaufforstung im gewissen Rahmen richtig und sinnvoll

Gehe es um Tourismus, so gehe es im Harz immer auch um den Nationalpark. „Ich bin unbedingt dafür, dass der Nationalpark in der Form bleiben soll, auch wenn mir beim Anblick der kahlen Hänge das Herz blutet“, sagt Fahrtmann, der mit Nadelwäldern groß geworden sei.

Er ist der Meinung, dass eine gewisse Wiederaufforstung sinnvoll sei und betont: „Aber nicht aus blindem Aktionismus. Ich gebe dem Nationalpark ein Stück weit Recht, dass man die Natur in Ruhe lassen soll.“ Hinzu komme, so der bekennende Wanderfreund, dass er infolge der Pandemie Bereiche sehe, in die vordringlicher investiert werden müsse als in die Wiederaufforstung. „Auch wenn eine gewisse Unterstützung für den Forst notwendig ist, sollten wir Bio-Diversität zulassen.“

Den Harzer Wald, in dem er nach eigenem Bekunden, nahezu alle Wanderwege kennt, zeigt er auch gern seinem Sohn. „Wir sammeln die Stempel der Harzer Nadel“, berichtet er. Wie viele er schon hat? „Etwa 150.“

Sein nächstes Ziel ist keine Stempelstelle im Harz, sondern etwas außerhalb seines geliebten Mittelgebirges: der Landtag in Magdeburg.

Die thematischen Schwerpunkte von Florian Fahrtmann:

Mit seinen 38 Jahren hat Florian Fahrtmann nicht nur die Belange junger Familien im Blick. Ein politisches Thema, das ihn besonders antreibt, ist die Daseinsvorsorge für ältere Menschen. Er fordert: „Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Menschen so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung und in ihrem Zuhause bleiben können.“

Für den examinierten Altenpfleger ist das nicht allein ein urbanes Problem, sondern betreffe gerade auch den ländlichen Raum. Vor allem Frauen treffe häufig das Schicksal, im Alter allein in einem viel zu groß gewordenen Zuhause zu leben.

In diesem Frühjahr hat Fahrtmann sein Bachelorstudium in Sozialer Gerontologie absolviert, was ihm die ganze Problematik nicht nur nähergebracht habe. Vielmehr hat der Ilsenburger am Beispiel des Wohngebietes „Am Regenstein“ in Blankenburg das Thema wissenschaftlich untersucht und Lösungsansätze entwickelt. So hat er in seiner Bachelorarbeit eine Sozialraum- und Nachbarschaftsanalyse für das Wohngebiet durchgeführt.

Viele Schwierigkeiten im Alltag ausgemacht

Zu den Erkenntnissen dieser Untersuchung gehört, dass die Schwierigkeiten schon im Kleinen anfangen können, wie er schildert: „Beispielsweise befindet sich vor einem Mehrfamilienhaus eine Abstellmöglichkeit für Rollatoren, was praktisch ist. Allerdings erreicht man diese nur über einen hohen Bordstein.“

Das klinge nach einem geringfügigen Problem, benachteilige die Betroffenen im Alltag jedoch stark. Ähnliches habe er bei den Bushaltestellen entdeckt und kritisiert: „Eine Station in der Nähe ist wichtig. Allerdings müssen auch alle lesen können, wann der Bus fährt.“ Eine größere und kontrastreiche Schrift auf dem Fahrplan wäre eine große Hilfe. Florian Fahrtmann erklärt, wie notwendig es sei, alternative Wohnformen auf dem Land zu schaffen. „Die demografische Entwicklung zeigt, dass die Menschen immer älter werden. Es gibt plötzlich mehr Lebenszeit, in der die Menschen eine ganz neue Aufgabe brauchen“, erläutert er.

Plädoyer für Mehrgenerationenhäuser

Gesellschaft solle inklusiv sein. „Das heißt, dass wir Wohnformen brauchen, die den Bedürfnissen mehrerer Generationen gerecht werden. Warum sollen nicht in einem Haus unten Senioren leben und oben junge Familien?“ Er sehe dabei Vorteile für beide Seiten: „Während die einen sich freuen, etwas Leben um sich zu haben, sind die anderen froh, wenn jemand tagsüber das Haus hütet, während sie bei der Arbeit sind.“

Fahrtmann hält es für notwendig, entsprechende Förderprogramme dafür zu schaffen. Schließlich findet er: „In einer Gesellschaft leben schließlich alles zusammen.“

Quelle:
Den Menschen von allen Seiten betrachten (volksstimme.de)

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